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COVID19 – Mitarbeiter fordern neue Nähe und Betreuung durch HR Management und Führungskräfte

 

Starker Veränderungsdruck auf die HR-Organisation mit ihren Prozessen und Strukturen.

 

 

Etwa 1/3 der deutschen Mitarbeiter fühlt sich in der aktuellen Krise von ihren Arbeitgebern nicht ausreichend unterstützt, emotional wie auch mental (Randstad Arbeitsbarometer aus dem 2. Halbjahr 2020).

 

Da psychische Gesundheit eine der wesentlichen Voraussetzungen für Leistungsfähigkeit im beruflichen Alltag ist, sollten bei Führungskräften und HR Management nun die Alarmglocken schrillen.

 

Was können Führungskräfte tun, um die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu stärken?

 

Es fängt mit Förderung von Teamgeist und Zusammengehörigkeitsgefühl an – denn zusammen lassen sich Belastungen bekanntlich leichter tragen und verarbeiten.

 

Gerade in der aktuellen COVID19-Krise sind Informationen das A und O - Mitarbeiter wollen über die finanzielle Situation des Arbeitgebers und auch über wichtige Geschäftsentscheidungen informiert werden. So kann in Zeiten der allgemeinen Unsicherheit mehr Sicherheit geschaffen werden.

 

In vielen Unternehmen ist das Top-Management seit dem Ausbruch von COVID19 und der damit verbundenen verstärkten dezentralen Arbeit deutlich kommunikativer und auskunftswilliger geworden. Mittlerweile gibt es virtuelle Town Hall Meetings und regelmäßige virtuelle Informationsveranstaltungen, um die Mitarbeiter über aktuelle Entwicklungen zu informieren.

 

Auf Abteilungsebene haben sich Daily/Weekly Stand-Up Meetings bewährt, um sich gegenseitig zu Projekten und Arbeitsständen zu informieren – als Kompensation für die wegfallenden Gespräche auf dem Büroflur, in der Kaffeeküche, in der Kantine usw.

 

Entspannte virtuelle Get-togethers zum Tagesbeginn und kurz vor Feierabend stärken den Teamzusammenhalt ebenso wie virtuelle Feierabenddrinks und Spieleabende.

 

Probleme und Stress der Mitarbeiter sind für Führungskräfte vom Home-Office aus schwerer wahrzunehmen und zu adressieren als im Büro – das birgt die Gefahr eskalierender Konflikte.

 

Im Rahmen von Telefonaten und Videokonferenzen müssen Führungskräfte umso einfühlsamer auf ihre Mitarbeiter eingehen und erfragen, wie es ihnen geht.

 

Das klingt so offensichtlich und einfach, kommt aber in der Praxis oftmals zu kurz, weil die Personalführung aus dem Home-Office heraus für viele Führungskräfte weitgehend noch Neuland ist.

 

Durch die räumliche Distanz kann es zur Entfremdung der Mitarbeiter kommen, falls Führungskräfte für dieses Thema nicht sensibilisiert sind.

 

Gerade in Krisenzeiten hilft in der Führung der Fokus auf das Positive, da sich das menschliche Gehirn leichter an schlechte Erfahrungen erinnert als an positive. In Krisenzeiten sollten sich Führungskräfte daher mit ihren Teams gezielt auf positive Aspekte fokussieren, gemeinsam Erfolge teilen und gute Leistungen betont wertschätzen. Das stärkt den Teamzusammenhalt und motiviert Teammitglieder sich gegenseitig zu unterstützen.

 

Welchen Beitrag zur Mitarbeiterzufriedenheit kann das HR Management unter dem Einfluss von COVID19 leisten?

 

Grundsätzlich muss sich das HR Management auch in Krisenzeiten flexibel auf unterschiedliche Mitarbeitergruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Wünschen einstellen - die Generationen X, Y und Z.

 

Die Generation X ist aktuell im letzten Drittel ihres Berufslebens, hat vieles schon erreicht und ist daher vergleichsweise „pflegeleicht“. Pflege ist in diesem Zusammenhang das passende Stichwort, denn die Generation X sieht sich zunehmend mit Aufgaben der Betreuung und Pflege der Eltern konfrontiert – für diese Aufgaben wünschen sie sich flexible Arbeitszeiten, unbezahlten Urlaub usw.

 

Die Generation Y wiederum wünscht sich Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten und eine systematische Unterstützung durch HR, in Form individueller Personalentwicklungspläne. Auch Work-Life-Balance spielt eine größere Rolle für die Arbeitszufriedenheit als bei der Generation X.

 

Die Generation Z drängt mittlerweile verstärkt in die Unternehmen und stellt die höchsten Ansprüche. Sie wünscht sich Work-Life-Balance, regelmäßiges positives Feedback und auch eine klare Trennung zwischen Arbeitszeit und Freizeit – ungeachtet des aktuellen Trends zur Home-Office-Arbeit.

 

Die Generation Z hat also ein abnehmendes Interesse an Home-Office-Arbeit, weil hier die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben miteinander verschwimmen.

 

Angesichts der sehr vielschichtigen Bedürfnisse der Mitarbeiter wird die Erfordernis eines differenzierten Ansatzes des Personalmanagements deutlich, um den Ansprüchen und Wünschen der unterschiedlichen Mitarbeitergruppen gerecht zu werden.

 

Fraglich ist, ob das HR Management mit seinen heutigen Strukturen und Prozessen diesen vielschichtigen Anforderungen wirklich gerecht werden kann.

 

Zweifel daran scheinen berechtigt, zumal das regelmäßige dezentrale Arbeiten im Home-Office mit großer Wahrscheinlichkeit dauerhaft Teil unserer Arbeitswelt bleiben wird und sich dadurch vieles ändert.

 

Durch das dezentrale Arbeiten haben sich auch die Erwartungen der Mitarbeiter an die Employee Experience verändert.

 

Employee Experience umfasst Strategien zur Mitarbeitermotivation und -bindung. Gezieltes Employee Experience Management soll für positive Erfahrungen der Angestellten sorgen – beginnend beim Bewerbungsprozess über das Onboarding bis hin zum Ausstieg aus dem Unternehmen.

 

Durch COVID19 hat sich das Selbstverständnis der Mitarbeiter verändert. Sie nehmen sich seit dem Ausbruch der COVID19-Pandemie noch stärker als Aktivposten der Unternehmen wahr und erwarten von ihren Arbeitgebern trotz (oder auch gerade wegen) der räumlichen Distanz im Home-Office Wertschätzung und dazu auch noch funktionierende und unterstützende digitale Prozesse im HR Management.

 

Die Mitarbeiter wünschen sich nach aktuellen Umfragen eine intuitive, wertschätzende und mitarbeiterzentrierte Employee Experience (EX).

 

Durch das verstärkt dezentrale Arbeiten verändert sich gleichzeitig die „Statik“ der Mitarbeiterbetreuung nachhaltig, denn auch die HR-Mitarbeiter selber arbeiten nun regelmäßig vom Home-Office aus und sind somit für die betreuten Mitarbeiter weniger vor Ort verfügbar.

 

Die Betreuung der Mitarbeiter muss daher zumindest teilweise über die Distanz erfolgen, per Telefon und Video-Konferenzen.

 

Aber ist die HR-Organisation mit ihren heutigen Strukturen und Prozessen auch noch „nah“ genug an den Mitarbeitern, um auch auf die Entfernung wirksame Mitarbeiterbetreuung zu leisten?

 

Diese Frage stellt sich insbesondere in den größeren Unternehmen, in denen das HR Management nach dem sogenannten HR Business Partner Modell (gemäß Ulrich) organisiert ist.

 

Das HR Business Partner Modell orientiert sich primär an der Prozess- und Kostenoptimierung.

 

Die Personalarbeit wird auf 4 Rollen verteilt - Strategic Partner, Change Agent, Administrative Partner und Employee Champion (nach Ulrich).

 

Kritiker dieses Modells bemängeln, dass die Aufgabenverteilung und Spezialisierung in der Praxis durch die Fokussierung auf die Führungskräfte zu einem gewissen Ungleichgewicht führen, denn gleichzeitig geraten die Mitarbeiter aus dem Blick.

 

Die Beratung der Mitarbeiter wird oftmals als weniger wertschöpfend gesehen – daher reduzieren sich Unternehmen mit HR Business Partner Organisation zunehmend auf reine Auskünfte für die Mitarbeiter. Diese Auskünfte übernehmen dann die HR Shared Service Center.

 

HR Shared Service Center wiederum sehen keine festen Ansprechpartner vor und funktionieren nach dem Ticket-System, Mitarbeiteranliegen werden nach diesem Prinzip sukzessive „abgearbeitet“. Die persönliche Mitarbeiterberatung ist hierbei nicht (mehr) vorgesehen.

 

Dieses kosten- und effizienzorientierte HR Business Partner Modell hat sich offensichtlich zunehmend von der früheren Betrachtungsweise gelöst, als die Unternehmen die Mitarbeiter als wichtigste Ressource und „Humankapital“ betrachtet haben.

 

Nach aktuellem Stand der Dinge ist davon auszugehen, dass die COVID19-Pandemie auch das HR Business Partner Modell auf den Prüfstand stellt und zu Anpassungen zwingt, um den Anforderungen der Mitarbeiter flexibler und vor allem bedarfsorientierter gerecht zu werden.

 

Mitarbeiter, die einen Teil ihrer Arbeitszeit dauerhaft vom Home-Office aus leisten, sind auch aufgrund der räumlichen Distanz weniger (mit) ihrem Arbeitgeber verbunden – Unternehmenskultur kann auf Entfernung nur begrenzt Mitarbeiterbindung entfalten.

 

Arbeitgeber laufen daher Gefahr austauschbarer zu werden. Eine sinkende Loyalität der Mitarbeiter und damit verbunden eine steigende Fluktuation wäre in Zeiten des Fachkräftemangels aber eine gravierende Bedrohung der langfristigen Unternehmensziele.

 

Einer sinkenden Mitarbeiterbindung könnte das HR Management insbesondere durch mehr „Kundennähe“ sprich Mitarbeiternähe erfolgreich entgegenwirken.

 

Eine solche Nähe wird aber kaum durch Shared Service Systeme, Employee Self Service- und Ticket-Systeme entwickelt werden können.

 

Fazit:

 

Durch COVID19 und einen deutlich erhöhten Anteil dezentraler Arbeitsstrukturen steigt zumindest in den größeren Unternehmen der Transformationsdruck auf das HR Management, um Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit auch dezentral sicherzustellen.

 

Flexiblere Strukturen und Prozesse zur Erhöhung der Mitarbeiterzentrierung und auch eine persönlicher gestaltete Mitarbeiterbetreuung werden erforderlich sein, um wieder „näher an die Mitarbeiter heranzurücken“.

 

Hier entsteht durch COVID19 der höchste Veränderungsdruck für das HR Management.

 

Der Mittelstand wiederum könnte in Sachen Mitarbeiternähe punkten, weil hier oft noch generalistische HR-Funktionen zu finden sind, die die Mitarbeiter ganzheitlich betrachten und eine deutlich persönlichere Betreuung der Mitarbeiter gewährleisten können.

 

 

Ihr

Mathias Friedrichs

 

m.friedrichs@friedrichs-partner.com

Tel.: +49 (0) 211 – 57 73 00

 

 

 

P.S.: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit der Beiträge wird jeweils die "männliche" Formulierung gewählt.

Es sind aber natürlich stets alle 3 Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung angesprochen.

 

 

Quellen:

Die neue Rolle von Kommunikation in Führung und Zusammenarbeit (F.A.Z. Personaljournal 1/2021)

GEN X, Y und Z – geänderte Erwartungen der Generationen in Bezug auf Arbeit und die Auswirkungen auf das Personalmanagement (Personalführung 2/2021) 

Psychische Gesundheit – Teambuilding auf Distanz (F.A.Z. PersonaljourWas wird – Diskussion (Personalwirtschaft 1/2021)nal 1/2021)

Dave Ulrich (Human Resource Champion, 1997)

Randstad Arbeitsbarometer aus dem 2. Halbjahr 2020 

 

                        

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