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Zeitenwende am Arbeitsmarkt

 

Babyboomer und Generation X werden zur seltenen Ressource und die Kräfte am Arbeitsmarkt verschieben sich. 
Haben die Jüngeren diese Zeichen der Zeit schon erkannt?

 

Exakt 30 Jahre später möchte ich Sie mit auf diese Reise nehmen und zum Blick in meinen Rückspiegel einladen.

 

Spätestens seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist der Begriff Zeitenwende in aller Munde. Zeitenwende steht für einen drastischen Umbruch - eine Ära endet und eine ganz neue beginnt.

 

Tatsächlich ist der Begriff Zeitenwende auf diverse Lebensbereiche anwendbar, beispielsweise auf den Klimawandel und den damit verbunden dringend notwendigen Veränderungen unseres Alltags.

 

Auch für den Arbeitsmarkt ist der Begriff Zeitenwende sehr treffend, denn hier findet ein historischer Umbruch statt. Die kritische demographische Entwicklung am Arbeitsmarkt wird in den Medien regelmäßig beschrieben und debattiert.

 

Bisher wird die historische Herausforderung des heute schon existenten, künftig aber nochmals deutlich dramatischer werdenden Fachkräfte- und Führungskräftemangels oft noch eher theoretisch und auch intellektuell behandelt.

 

Dabei befinden wir uns schon inmitten in dieser Arbeitsmarkt-Zeitenwende, mit all ihren aktuellen und auch künftig noch zu erwartenden Konsequenzen.

 

Beim Lesen der aktuellen Artikel und Fachbeiträge zu diesem Thema entsteht subjektiv irgendwie der Eindruck, dass die Verfasser dieser Beiträge insbesondere zur älteren Generation gehören.

 

Machen sich die Älteren über die Entwicklung des Arbeitsmarktes etwa mehr Gedanken als die eigentlich unmittelbarer Betroffenen, nämlich die Generationen Y und Z?

 

Als Personalberater erleben wir Babyboomer, Generation X und Generation Y tagtäglich in der beruflichen Interaktion - und die Generation Z (ab dem Jahrgang 1995) steht bereits in den Startlöchern.

 

In den Begegnungen der Generationen stellen wir fest, dass die Babyboomer und Generation X sich mit ihren unterschiedlichen Werten und Einstellungen noch vergleichsweise nahe stehen, während sich die Generation Y als Vertreter der jüngeren Generation gerade von den Babyboomern scharf abgrenzt und kritische Distanz zeigt.

 

Passend dazu hat die jüngere Generation 2019 den Begriff „OK Boomer“ geprägt. Mit diesem Begriff werden „stereotyp angesehene Ansichten der Baby-Boomer-Generation zurückgewiesen und sich darüber lustig gemacht“.

 

Es gibt also ganz offensichtliche Differenzen und Verständnisprobleme zwischen den Generationen.

 

Wie zeigen sich diese Unterschiede heute im gemeinsamen beruflichen Alltag?

 

In unseren Recruiting-Prozessen „fremdeln“ beispielsweise Fachvorgesetzte häufig mit ihren potenziellen künftigen Mitarbeitern, die als Millennials einen langen Forderungskatalog mit in die Vorstellungsgespräche bringen.

 

Interviews werden mittlerweile durch die jüngere Generation dominiert, immer weniger durch Fachvorgesetzte und die Arbeitgeber.

 

Die jüngere Generation erwartet ganz selbstverständlich umworben zu werden. Es geht in den Interviews daher primär um die Wünsche der jüngeren potenziellen Mitarbeiter und um deren Fragen, die sich oft um die Optimierung des eigenen Lebens drehen.

 

Die meist älteren Fachvorgesetzten (Babyboomer und Generation X) sind wiederum vielfach der Meinung, dass jüngere Kandidaten zu wenig erkennbares Interesse am konkreten Unternehmen zeigen, bei dem sie sich auf einen Arbeitsplatz bewerben. Aus dieser Position heraus fühlen sich die potenziellen Fachvorgesetzten nicht ausreichend ernst genommen und gewertschätzt.

 

Unterschiede und Verständnisprobleme gibt es auch bei der Arbeitseinstellung der Generationen.

 

Im Extremfall treffen bei den Interviews komplett gegensätzliche Lebensmodelle aufeinander. Babyboomer haben stets gelebt um zu arbeiten, die Mehrheit der Generation Y und Z will nur so viel arbeiten, dass sie gut davon leben können.

 

Die Generation Z geht sogar noch über das Konzept der Work-Life-Balance hinaus - sie will Work-Life-Separation, also die komplette Trennung von Arbeit und Freizeit.

 

Viele Fachvorgesetzte der älteren Generationen können die ausgeprägte Freizeitorientierung der jüngeren potenziellen Mitarbeiter nur begrenzt nachvollziehen und interpretieren den Fokus auf Freizeit oft als Mangel an Arbeitsmotivation, Identifikation und Belastbarkeit.

 

Im Extremfall führen diese Verständnisprobleme sogar dazu, dass Unternehmen bevorzugt ältere Mitarbeiter einstellen und lieber einen großen Bogen um die jüngere Mitarbeiter-Generation machen. Solche Unternehmen verzichten sogar auf die Ausbildung junger Menschen - zu Lasten der eigenen Zukunftssicherung.

 

Es liegt auf der Hand, dass solche Vermeidungsstrategien im heutigen Arbeitsmarkt nicht langfristig erfolgreich sein können, denn die älteren Mitarbeiter verlassen sukzessive den Arbeitsmarkt in Richtung Rente und sind daher ein „Auslaufmodell“.

 

Die einzig tragfähige Zukunftsstrategie für Unternehmen ist positive Integration und die Kooperation aller Mitarbeiter-Generationen untereinander, begleitet durch eine sorgfältige Kalibrierung der unterschiedlichen Bedürfnisse und Zielsetzungen.

 

Denn trotz ihrer teils grundlegenden Unterschiedlichkeiten sind alle Mitarbeiter-Generationen letztlich aufeinander angewiesen, in Zukunft sogar noch mehr als heute.

 

Warum?

 

Da die jüngsten Babyboomer heute bereits 57 Jahre alt sind, werden schon in den kommenden Jahren viele Mitarbeiter dieser Generation in den Ruhestand gehen (können) und es kommen zahlenmäßig nicht genügend Mitarbeiter der Generation Z nach.

 

Konkret bedeutet das:

 

Es wird ein immer weiter sinkendes Angebot an Fach- und Führungskräften geben.

 

Durch die schrumpfende Belegschaft der Unternehmen müssen immer weniger Arbeitnehmer die anfallenden Arbeiten leisten.

 

Künstliche Intelligenz und Automatisierung können sicherlich einen großen Anteil leisten, damit die Unternehmen künftig auch mit weniger Mitarbeitern bestehen können.

 

Es wird aber auch viele „nicht-automatisierbare“ Arbeitsplätze geben, die aufgrund des Mangels an Fach- und Führungskräften dauerhaft zu verwaisen drohen. Und wenn nicht mehr genügend Arbeitskräfte die vorhandene Arbeit erledigen können, ist ein Unternehmen nicht wettbewerbsfähig und kann nicht mehr am Markt bestehen.

 

Der demographische Wandel kann also schlichtweg existenzgefährdend sein.

 

Aufgrund des immer größer werdenden Fach- und Führungskräftemangels wird sich für viele Unternehmen und ihre Mitarbeiter in den kommenden Jahren eine existenzielle Frage stellen:

 

Wie kann die vorhandene Arbeit mit immer weniger Mitarbeitern überhaupt geschafft werden und welche Arbeitsbedingungen können sich die Unternehmen dann noch leisten?

 

Aus heutiger Sicht erscheint es sehr wahrscheinlich, dass es für die heute noch sehr umworbene jüngere Mitarbeiter-Generation in den kommenden Jahren zu einem harten Realitätsschock kommen kann.

 

Die jüngeren Mitarbeiter sind in sogenannten kindzentrierten Familien groß geworden und standen von klein auf im Mittelpunkt. Daher verfolgen und optimieren sie heute ganz selbstbewusst ihre persönlichen Interessen, auch im Beruf.

 

In diesem gelebten Selbstverständnis der jüngeren Generation haben ihnen die Arbeitgeber maximal entgegenzukommen und möglichst viele Wünsche zu erfüllen - je mehr, desto besser.

 

Daher muss bei Job-Angeboten und potenziellen Arbeitgebern wirklich alles stimmen und Freigiebigkeit der Unternehmen wird schlichtweg vorausgesetzt.

 

Die Arbeitgeberwahl wird nüchtern kalkuliert getroffen und es wird selbstverständlich angenommen, dass die Arbeitgeber auch dauerhaft alles tun werden, um die jüngeren Mitarbeiter bei Laune zu halten.

 

Das ist der aktuelle Status Quo.

 

VOR der Zeitenwende im Arbeitsmarkt.

 

In Zeiten schwindender Arbeitnehmerzahlen werden aber die Anforderungen der Arbeitgeber an ihre noch verbleibenden Mitarbeiter gezwungenermaßen steigen (müssen).

 

Es bedarf daher keiner hellseherischen Fähigkeiten um zu prognostizieren, dass den jüngeren Mitarbeitern in den kommenden Jahren Ungemach droht.

 

Letztlich drohen auch die Arbeitszeiten wieder länger und unflexibler zu werden, um die vorhandene Arbeit auf die noch verbleibenden Köpfe und Schultern zu verteilen.

 

Der Existenzdruck für die Arbeitgeber aufgrund fehlender Arbeitskräfte lässt künftig unausweichlich die Unternehmensinteressen deutlich mehr in den Vordergrund rücken.

 

In dieser veränderten Situation werden Arbeitgeber ihre bisherigen Zugeständnisse an jüngere Mitarbeiter gegenüber in Frage stellen und schlimmstenfalls sogar zumindest teilweise wieder zurücknehmen müssen.

 

Das würde gleichzeitig bedeuten, dass die heute sorgsam optimierten Arbeits- und Lebensbedingungen der jüngeren Mitarbeiter mitsamt der so geschätzten Work-Life-Balance oder gar Work-Life-Separation aufgeweicht werden müssen - zugunsten der nachhaltigen Unternehmens- und Arbeitsplatzsicherung.

 

Längere und weniger flexible Arbeitszeiten wären eine Horror-Vorstellung für die Generationen Y und Z.

 

Das Ausmaß dieses Horror-Szenarios und dessen Auswirkungen auf die jüngeren Mitarbeiter könnte jedoch begrenzt werden - und zwar ausgerechnet durch die bisher eher kritisch-distanziert betrachteten (Baby)Boomer-Kollegen.

 

Babyboomer haben Arbeit als Lebenszweck kennengelernt und zeichnen sich durch Loyalität und Identifikation mit ihren Arbeitgebern aus. Aus dieser Motivation heraus könnten sich zahlreiche Babyboomer wahrscheinlich grundsätzlich vorstellen, bei passenden Rahmenbedingungen die jüngere Generation noch eine Zeit lang zu unterstützen und Hilfe in der Not zu leisten.

 

Dann wäre die Zeitenwende perfekt.

 

Plötzlich könnten die älteren Mitarbeiter die (Arbeits)Bedingungen vorgeben, unter denen sie ihren wohlverdienten Ruhestand noch hinauszögern bzw. in Teilzeit auch im Ruhestand berufstätig bleiben.

 

Die Arbeitgeber und auch die jüngeren Generationen (als Vorgesetzte wie auch als Kollegen) werden die von den Älteren diktierten Bedingungen annehmen und ihrerseits zu Konzessionen bereit sein müssen.

 

Im Moment ist es natürlich schwer vorstellbar, dass die jüngeren Generationen aus ihrer erkämpften Komfortzone herauskommen und sie stattdessen ungewohnte Zugeständnisse bei Arbeitszeit und -flexibilität machen könnten.

 

Aufgrund der Demographie und der Zeitenwende am Arbeitsmarkt werden aber die Karten neu gemischt und die Forderungen der Unternehmen an ihre Mitarbeiter werden zwangsläufig steigen (müssen).

 

Die Unternehmen, die Politik und auch die Gesellschaft an sich sollten heute schon umfassende Aufklärungsarbeit für den erforderlichen Brückenschlag zwischen den verschiedenen Generationen leisten und die anstehenden Veränderungen im Arbeitsmarkt ehrlich kommunizieren.

 

Denn ohne einen konstruktiven und flexiblen Schulterschluss aller Mitarbeiter-Generationen und ein nachhaltiges Aufeinanderzugehen auch heute schon werden die Aufgaben der Zukunft nicht gelöst werden können.

 

 

 

 

Ihr

Mathias Friedrichs

 

m.friedrichs@friedrichs-partner.com

Tel.: +49 (0) 211 – 57 73 00

 

 

 

Genderhinweis:
Wir streben an, gut lesbare Texte zu veröffentlichen und in unseren Texten alle Geschlechter abzubilden. Das kann durch Nennung des generischen Maskulinums, Nennung beider Formen ("Kandidatinnen / Kandidaten" bzw. "Arbeitnehmer/innen") oder die Nutzung von neutralen Formulierungen ("Studierende") geschehen. Bei allen Formen sind selbstverständlich immer alle Geschlechtergruppen gemeint - ohne jede Einschränkung. Von sprachlichen Sonderformen und -zeichen sehen wir ab.

 

Quellen:

Heise Online: Fachkräfte gesucht: Die neue Macht der Arbeitnehmer?

Sinn und Konsum: Hört auf zu Arbeiten!

Wiwo: Führungsdilemma Millennials als Manager: Nun müssen sie vermitteln

24hamburg: Hamburger Chef stellt keine jungen Leite mehr ein: „Die müssen nach 6 Stunden zum Yoga“

StartupValley.news: Die ticken doch nicht ganz richtig! - (Arbeits-)Kampf der Generationen und wie er gelöst werden könnte

Weka: Alt und Jung am Arbeitsplatz

Wiwo: Generation Babyboomer „Viele Babyboomer sind an ihre Belastungsgrenzen gekommen“
Arbeits-ABC: Generation Y: Deshalb verzichten Millenials auf Führungspositionen

 

 

 

 

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