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„The Great Resignation“ – nur ein US-amerikanisches Phänomen?

 

In den USA kündigen immer mehr Menschen ihren Job. Diese Kündigungswelle hat den einprägsamen Namen „The Great Resignation“ bekommen.

 

Was konkret passiert gerade in den USA?

 

Die US-amerikanische Wirtschaft erlebt seit Monaten die größte Kündigungswelle ihrer Geschichte, erstmalig liegt die Kündigungsrate über 3 %.

 

In der Pandemie hat der Mix aus hoher Arbeitsbelastung, allgemeiner Unsicherheit, Einstellungsstopps und Leistungsdruck offensichtlich viele Mitarbeiter dazu gebracht, ihre Arbeits- und Lebensziele zu überdenken und neu zu definieren.

 

Im Zusammenhang mit der „Great Resignation“ wird nun vermutet, dass die Mitarbeiter die im Lockdown vermisste Autonomie zurückgewinnen wollen.

 

Autonomie beschreibt die Freiheit unserer Entscheidungen und Aktionen, Lockdown-Phasen haben diese Autonomie stark eingeschränkt.

 

Zu unserer Autonomie gehören auch berufliche Entscheidungen. Der ausgeprägte Wunsch nach höherer Autonomie führt derzeit logischer Weise auch dazu, dass Mitarbeiter ihre berufliche Situation proaktiv verändern und neugestalten wollen.

 

Das führt in der Konsequenz häufig zu einem Jobwechsel.

 

Auffällig ist, dass es den stärksten Anstieg der Kündigungsraten bei Arbeitnehmern zwischen 30 und 45 Jahren gibt – eine elementar wichtige Gruppe von Mitarbeitern, die oft verantwortungsvolle Posten innehaben und unverzichtbare Leistungsträger sind.

 

Aus Arbeitgebersicht schmerzen diese zahlreichen unerwünschten Abgänge (insbesondere von Leistungsträgern) sehr und sie schwächen unweigerlich die Leistungsfähigkeit der gesamten Organisation.

 

Aus diesem Grund ist „The Great Resignation“ eine große Herausforderung für die Unternehmen allgemein und HR im Besonderen.

 

Erfahrungsgemäß kommen Trends aus den USA in der Regel zeitversetzt auch nach Deutschland.

 

Erleben wir also auch in Deutschland bald eine große Kündigungswelle?

 

Erste Anzeichen deuten zumindest darauf hin, dass die Wechselbereitschaft spürbar steigt.

 

In der Vergangenheit waren im Durchschnitt rund 1/3 der deutschen Arbeitnehmer offen für einen beruflichen Wechsel.

 

Nach jüngsten Umfragen stieg diese Bereitschaft zuletzt deutlich an (knapp 20 % +), denn annähernd 40 % der deutschen Arbeitnehmer denken aktuell grundsätzlich über eine berufliche Neuorientierung nach.

 

Laut einer belgischen Studie haben zudem rund 6 % der deutschen Beschäftigten während der Lockdown-Phasen ihren Job gekündigt und hierfür Gründe benannt, die direkt oder zumindest indirekt im Zusammenhang mit COVID19 stehen.

 

Für Arbeitgeber ist diese Wechselbereitschaft ihrer Mitarbeiter umso alarmierender, wenn man die parallele demographische Entwicklung betrachtet.

 

In wenigen Jahren beginnt eine wahre Pensionierungswelle, da die Babyboomer aus dem Berufsleben ausscheiden. Diese geburtenstarken Jahrgänge prägen bis heute weite Teile der Arbeitnehmerschaft und stehen für jahrzehntelange Berufs- und Lebenserfahrung.

 

Wenn in den kommenden Monaten zusätzlich auch die 30- bis 45-jährigen Arbeitnehmer in größerer Anzahl kündigen sollten, dann droht den Arbeitgebern kurz- und auch mittelfristig ein massiver Know-how- und Erfahrungsverlust. 

 

Und zwar in einem Ausmaß, das für die Unternehmen zwangsläufig existenzbedrohlich werden kann.

 

Diesem Abwanderungstrend müssen Arbeitgeber derzeit unbedingt aktiv entgegensteuern und ihre aktuellen Mitarbeiter langfristig halten.

 

Aus diesem Grund hat sich „Mitarbeiterbindung“ zum Zauberwort entwickelt, das aktuell in aller Munde ist.

 

Durch die zielgruppengerechte und ganzheitliche Gestaltung der Arbeitswelt (Arbeitsbedingungen, Arbeitsplatz, Unternehmenskultur, Entlohnung, Benefits & Sozialleistungen und vieles mehr) soll den Abwanderungswünschen vorgebeugt und die Mitarbeiter nachhaltig an Unternehmen gebunden werden.

 

Es liegt auf der Hand, dass es bei der Gestaltung der Arbeitswelt und der Benefits vor allem darauf ankommt, was sich die Mitarbeiter von ihren Arbeitgebern wünschen.

 

Wie beeinflusst die Pandemie die Bedürfnisse und was konkret erwarten die Mitarbeiter von ihren Arbeitgebern?

 

Hilfreiche Aufschlüsse hierzu liefert eine aktuelle europaweite Umfrage von Benify, einer führenden globalen Plattform für Total Rewards & Benefits.

 

In dieser Umfrage lässt direkt zum Anfang aufhorchen, dass 15 % der befragten deutschen Arbeitnehmer (immerhin mehr als jeder 6. Mitarbeiter!) grundsätzlich unzufrieden mit den Benefits ihrer aktuellen Arbeitgeber sind.

 

Das ist Höchstwert unter den befragten europäischen Ländern und es wird grundlegender Handlungsbedarf für die hiesigen Unternehmen deutlich.

 

Bei der Bewertung der einzelnen Benefits rangieren in Deutschland

 

  • 1. Urlaub und Arbeitszeit

  • 2. Mitarbeiterentwicklung und Weiterbildung

  • 3. zusätzliche Gesundheitsleistungen

auf den ersten 3 Plätzen der Mitarbeitergunst.

 

Knapp 1/3 der Mitarbeiter finden darüber hinaus unternehmensspezifische Benefits sehr wichtig.

 

Zu den beliebtesten Benefits dieser Kategorie gehören beispielsweise zusätzliche bezahlte Urlaubstage, Wellnesstage zur Förderung des Wohlbefindens (neudeutsch: Wellbeing), verkürzte Arbeitszeiten z.B. im Sommer etc.

 

Mehr als 1/3 der deutschen Arbeitnehmer wünschen sich zudem nicht nur eine breitere Auswahl an Benefits und Vergünstigungen, sondern zusätzlich auch noch individuellere und maßgeschneiderte Benefits.

 

Was konkret wünschen sich die Befragten?

 

Die Pandemie hat zwangsläufig dazu geführt, dass viele Arbeitnehmer finanzielle Abstriche machen mussten.

 

Daher verwundert es nicht, dass auch bei den deutschen Teilnehmern der Umfrage von Benify finanzielle Benefits (Boni, Mitarbeiteraktien, Gewinnbeteiligungen) an der Spitze der Liste der zusätzlich gewünschten Benefits liegen.

 

Unterstützung durch die Arbeitgeber bei der Altersversorgung sowie flexible Arbeitszeiten stehen ebenfalls hoch im Kurs bei den Mitarbeitern.

 

Auffallend ist, dass 1/3 der deutschen Arbeitnehmer gerade in der aktuellen Pandemie-Zeit die Benefits ihrer Arbeitgeber als unzureichend bewerten, ein im Europa-Vergleich hoher Wert.

 

Hierfür gibt es natürlich gute Gründe, denn zahlreiche „traditionelle“ Benefits entfalten im Home-Office keine Wirkung - hier können Kantine, Monatskarten für den ÖPNV, Abonnements für Fitnessstudios, Massagen u.v.m. nicht genutzt werden.

 

Die Teilnehmer der Studie wurden auch nach den potenziellen Faktoren für Stress, Gesundheit und Wohlbefinden befragt.

 

Hierbei zeigte sich länderübergreifend und in Deutschland im Besonderen, dass die Arbeit an sich für viele Mitarbeiter der Stressfaktor Nr. 1 ist.

 

In unmittelbaren Kontext kann es dann auch nicht überraschen, dass derzeit mehr als 1/3 der deutschen Arbeitnehmer Stress empfinden, weil sie sich nicht ausreichend um ihre Gesundheit und um ihre Work-Life-Balance kümmern können.

 

Mehr als jeder 5. Teilnehmer aus Deutschland empfindet bereits an einem durchschnittlichen Arbeitstag Stress – ungeachtet der vermeintlich bereits deutlich verbesserten/optimierten Arbeitsbedingungen seit dem Ausbruch der Pandemie.

 

Dieser hohe Wert sollte deutsche Arbeitgeber sehr nachdenklich stimmen, da der beschriebene Stress zu Burn-Out und damit verbunden zu Langzeiterkrankungen der Mitarbeiter führen kann.

 

Die deutschen Unternehmen haben laut Benify-Studie derzeit noch das Glück, dass deutsche Arbeitnehmer ihre Arbeitgeber (noch) nicht so sehr in der Verantwortung für die Gestaltung der Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter sehen. Andere europäische Unternehmen haben da einen deutlich höheren Leidens- und Veränderungsdruck.

 

In Deutschland sehen (derzeit!) sogar lediglich ¼ der Arbeitnehmer konkrete Work-Life-Benefits ihrer Arbeitgeber als sehr wichtig an.

 

Hierzu passt auch, dass deutsche Arbeitnehmer aktuell vergleichsweise wenig Interesse an Work-Life-Balance orientierten Benefits bzw.  Gesundheits- und Wellness-Benefits haben (z.B. Online-Yoga, Online-Gesundheitsberatung und -Therapien usw.).

 

Zum Vergleich: in den Niederlanden sind bereits für mehr als 2/3 der Arbeitnehmer die spezifischen Work-Life-Benefits ihrer Arbeitgeber essenziell.

 

In der Studie von Benify zeigt sich länderübergreifend auch, dass lediglich rund 1/3 der teilnehmenden Arbeitnehmer der Auffassung sind, dass ihre aktuellen Arbeitgeber eine starke Unternehmenskultur haben.

 

Hier scheint für die Unternehmen noch deutlich Luft nach oben zu sein, zumal Unternehmenskultur ein integraler Bestandteil erfolgreicher Mitarbeiterbindung ist.

 

Nachdenklich macht die Erkenntnis, dass lediglich 1/3 der befragten deutschen Arbeitnehmer ihren heutigen Arbeitgeber uneingeschränkt empfehlen und als überzeugte Botschafter der Arbeitgebermarke auftreten würden.

 

Hieraus lässt sich im Umkehrschluss folgern, dass 2/3 der Arbeitnehmer keine überdurchschnittlich hohe Bindung an ihren Arbeitgeber empfinden.

 

Da verwundert es auch nicht, dass die deutschen Arbeitnehmer im europäischen Vergleich insgesamt eine deutlich geringere Zufriedenheit mit ihren Arbeitgebern zeigen.

 

Arbeitgeber tun also gut daran, sich gründlich damit zu befassen, wie attraktiv sie für ihre Mitarbeiter sind und wie relevant ihre heutigen Benefits bewertet werden.

 

Warum sind zielgruppengerechte Benefits so wichtig?

 

Nahezu 1/3 der deutschen Befragten würden ihren Arbeitgeber wechseln, falls sie dadurch bessere Benefits bekommen würden.

 

Die Studie von Benify hat sich in diesem Kontext auch grundlegend mit den Motivationsfaktoren für die Wahl eines Arbeitgebers beschäftigt.

 

Im Ergebnis belegt die Studie, dass bei der Arbeitgeberwahl europaweit die gute alte Maslow’sche Bedürfnispyramide auch heute noch gilt:

 

  • Gehalt & Benefits sind die wichtigsten Gründe bei der Arbeitgeberwahl.


    Durch Geld und Benefits werden de facto die Grundbedürfnisse der Arbeitnehmer abgedeckt, nämlich physiologische Bedürfnisse und Sicherheitsbedürfnisse gemäß Maslow.


  • An 2. Stelle bei der Arbeitgeberwahl rangieren die Kollegen im Unternehmen, stellvertretend für das menschliche Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Anerkennung gemäß Maslow.

  • Flexible Arbeitszeiten sowie Unternehmenskultur sind weitere wichtige Faktoren bei der Wahl des Arbeitgebers.

 

In der Studie von Benify wurde auch der Wunsch nach Home-Office-Arbeit untersucht.

 

Bei den deutschen Arbeitnehmern wurde nicht nur deutlich, dass die Hälfte der Befragten grundsätzlich mehr von Zuhause aus arbeiten möchte.

 

Mehr als ¼ der deutschen Arbeitnehmer möchte sogar ausschließlich vom Home-Office aus arbeiten – eine große Herausforderung für die Arbeitgeber und die künftige Organisation der Arbeit.

 

Zum Abschluss der Studie hat Benify auch in die Zukunft geblickt und die Teilnehmer gefragt, welche Art Benefits sie sich für die Zukunft noch wünschen würden.

 

Im Ergebnis wünschen sich die deutschen Arbeitnehmer zuallererst künftige Benefits, die das Arbeiten von Zuhause aus unterstützen.

 

Erst mit großem Abstand wünschen sich die Mitarbeiter auch Benefits für die Förderung der mentalen Gesundheit sowie moderne Benefits in Bezug auf Urlaub und Arbeitszeiten.

 

 

Fazit:

 

In der Studie von Benify wird nachdrücklich aufgezeigt, dass die deutschen Arbeitgeber noch Hausaufgaben erledigen müssen, um die Bindung ihrer Mitarbeiter nachhaltig zu erhöhen.

 

Gleichzeitig werden aber auch konkrete Ansatzpunkte identifiziert, an denen die Unternehmen ihr Angebot an ihre Mitarbeiter zielgruppengerecht ausbauen und optimieren können.

 

Durch die systematische Optimierung und Weiterentwicklung der Arbeitsbedingungen und der angebotenen Benefits können Unternehmen ihre Chancen erhöhen, ihre aktuellen Mitarbeiter und Leistungsträger nachhaltig an sich zu binden.

 

Eine offene und empathische Kommunikation mit den Beschäftigten ist ebenfalls unabdingbar, denn eine mangelhafte Kommunikation (seitens der Führungskräfte, des Managements und seitens des Unternehmens an sich) sind einer der Hauptgründe für eine Kündigung.

 

Wertvoller Nebeneffekt: Durch die deutlich verbesserte Attraktivität als Arbeitgeber mit modernen und wirklich zielgruppengerechten Benefits sowie einer empathischen, offenen Kommunikation können auch Leistungsträger des Wettbewerbs angezogen werden.

 

Ein entscheidender Wettbewerbsvorteil im War for Talents!

 

 

 

Ihr

Mathias Friedrichs

 

m.friedrichs@friedrichs-partner.com

Tel.: +49 (0) 211 – 57 73 00

 

 

 

Genderhinweis:
Wir streben an, gut lesbare Texte zu veröffentlichen und in unseren Texten alle Geschlechter abzubilden. Das kann durch Nennung des generischen Maskulinums, Nennung beider Formen ("Kandidatinnen / Kandidaten" bzw. "Arbeitnehmer/innen") oder die Nutzung von neutralen Formulierungen ("Studierende") geschehen. Bei allen Formen sind selbstverständlich immer alle Geschlechtergruppen gemeint - ohne jede Einschränkung. Von sprachlichen Sonderformen und -zeichen sehen wir ab.

 

Quellen:

Kununu: The Great Resignation – hast du schon gekündigt oder denkst du noch darüber nach?

Human Resources Manager: The Great Resignation: Selbstbestimmung ist gefragt 

Benify - The Future of Work Report: Employee Benefits and Work Trends in Europe

 

 

 

 

 

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