Eine Generation, die jahrzehntelang Unternehmen mit aufgebaut, Teams geführt und Krisen gemeistert hat wird heute auf dem Arbeitsmarkt oft ignoriert. Nicht etwa wegen mangelnder Qualifikation, sondern einzig wegen ihres Geburtsdatums.
Was läuft hier falsch? Trotz beeindruckender Lebensläufe, umfassender Führungserfahrung und hoher Anpassungsfähigkeit erleben viele Kandidatinnen und Kandidaten ab Mitte 50 bei Bewerbungen eine Mauer des Schweigens. Die Einladung zum Gespräch bleibt aus, weil Alter und Erfahrung zur Hürde werden.
Ich spreche hier nicht aus theoretischer Überlegung, sondern aus gelebter Praxis. Schon als HR-Direktorin habe ich erlebt, wie der Wunsch nach Kandidaten*innen „unter 50“ oft subtil, manchmal auch sehr direkt unter dem Siegel der Verschwiegenheit, formuliert wurde. Heute, als Personal- und Unternehmensberaterin, sehe ich diese Denkmuster leider ebenso. Und sie erschrecken mich noch immer.
Ich arbeite mit Menschen, die mit beiden Beinen im Leben stehen, mit klarer Motivation und beeindruckendem Erfahrungswissen. Sie wollen noch etwas bewegen, möchten etwas Sinnvolles beitragen und brauchen und wollen sich nicht mehr profilieren. Viele von ihnen scheitern nicht an mangelnder Qualifikation, sondern an pauschalen Vorannahmen auf Unternehmensseite. Das ist tragisch und zugleich vermeidbar.
Unternehmen scheinen hier in veralteten Denkweisen festzustecken, die gerade in Zeiten des demografischen Wandels fatale Auswirkungen haben können. Es herrscht noch immer die Annahme, Menschen über 50 seien nicht mehr lernfähig, technisch nicht auf dem neuesten Stand oder kulturell nicht mehr anpassungsfähig. Dazu kommen Sorgen über angeblich zu hohen Gehaltsforderungen oder der Kündigungsschutz, der sie zu „risikoreichen“ Neueinstellungen mache. Besonders bedenklich finde ich die unterschwellige Angst mancher Entscheider*innen, sich durch erfahrene Persönlichkeiten Konkurrenz ins Haus zu holen. Doch wer Führung ernst nimmt, sollte Stärke in anderen nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung erkennen.
Diese Vorurteile sind nicht nur falsch - sie sind gefährlich. Für Unternehmen. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Und nicht zuletzt für den sozialen Zusammenhalt.
Dabei übersehen viele: Menschen über 50 sind häufig in einer Lebensphase, in der sie sich ganz bewusst für eine Aufgabe, ein Unternehmen oder eine sinnstiftende Tätigkeit entscheiden. Sie müssen sich nichts mehr beweisen. Die Kinder sind aus dem Haus, die finanziellen Verpflichtungen geringer, der Karriereanspruch häufig einem Wunsch nach Wirksamkeit gewichen. Es geht nicht mehr um Titel - es geht um echten Beitrag. Um Stabilität, Erfahrung, Gelassenheit, Führungskompetenz. Genau das, was in vielen Unternehmen heute schmerzlich fehlt.
Wer diesen Reifegrad als Schwäche deutet, entzieht sich selbst den Zugang zu einer der stabilsten und loyalsten Zielgruppen auf dem Arbeitsmarkt.
Leistungsträger*innen 50+ bringen nicht nur Wissen, sondern auch Haltung mit. Sie suchen keine Karriereleiter mehr, sondern einen sinnvollen Platz, an dem sie etwas bewegen und weitergeben können.
Was es jetzt braucht, ist ein radikales Umdenken. Recruiting muss raus aus der Schublade der Altersdiskriminierung - egal ob bewusst oder unbewusst. Es ist an der Zeit, traditionelle Bewertungskriterien infrage zu stellen. Denn Potenzial zeigt sich nicht nur in digitalen Zertifikaten, sondern auch in der Art, wie jemand Krisen gemeistert, Wandel gestaltet oder Menschen geführt hat.
Die demografische Entwicklung ist längst Realität und kein Zukunftsszenario. Wer heute nicht altersdivers rekrutiert, wird morgen die Rechnung zahlen: In Form von Know-how-Verlust, mangelnder Führungskompetenz, hoher Fluktuation und ja, auch in stagnierender Innovationskraft.
Leistungsträger*innen 50+ sind keine Notlösung. Sie sind ein stabilisierender Erfolgsfaktor. Unternehmen, die dies erkennen, werden künftig nicht nur resilienter, sondern auch erfolgreicher sein. Es ist höchste Zeit, Altersdiversität nicht als Risiko, sondern als strategische Ressource zu begreifen.
Wie altersdivers ist Ihr Unternehmen wirklich?
Lassen Sie uns gerne ins Gespräch kommen. Für mehr Klarheit, Stärke und Nachhaltigkeit in Ihrer Personalstrategie.