"Kandidaten-Marketing" damals und heute -  Candidate Experience statt Massenware

Veröffentlicht
25. September 2025
Kandidatinnen und Kandidaten waren „Massenware“ - und wurden oftmals so behandelt. Mit wenig Sorgfalt, beliebig austauschbar und ohne Feedback zurückgelassen.

Fundstück aus einer anderen Zeit.
Aus einem ganz anderen Arbeitsmarkt – einem Arbeitgebermarkt.

Neulich fand ich eine gescannte Kopie eines alten Artikels aus dem Handelsblatt.

Damals gab es noch keinen Bewerbermarkt wie heute.

Kandidatinnen und Kandidaten waren „Massenware“ - und wurden oftmals so behandelt. Mit wenig Sorgfalt, beliebig austauschbar und ohne Feedback zurückgelassen.

Schon als junger Personalberater habe ich diesen Umgang nicht verstanden und wollte es in unserer Beratungs-Boutique bewusst anders machen.

Auch mit dem Begriff Headhunter hatte ich meine Probleme - zu einseitig, zu martialisch. Mir ging es immer um Beratung, nicht um reine Vermittlung. Ich wollte nie ein CV-Broker mit transaktionalem Geschäftsmodell sein.

Ich wollte beraten. Und zwar nicht nur Kundinnen und Kunden, sondern genauso Kandidatinnen und Kandidaten. Offen, ehrlich, transparent - und nachhaltig.

Für diesen (aus meiner Sicht ganz natürlichen, naheliegenden) Ansatz habe ich damals den Begriff „Kandidaten-Marketing“ geprägt.

Über diesen Begriff wurde seinerzeit das Interesse des Handelsblatts geweckt und so kam der Artikel über Personalberatung und Kandidaten-Marketing zustande.

Warum? Damals war der Markt grundlegend anders.

Mitte der 90er lag die Arbeitslosenquote in Deutschland zweistellig (1997: 12,7 %), auch aufgrund der Massenarbeitslosigkeit in den Neuen Bundesländern nach der Wende. Für Unternehmen war diese Zeit ein klarer Arbeitgebermarkt.

Heute ist die Ausgangslage eine komplett andere.

Ende 2022 kamen zeitweise nur 1,2 Arbeitslose auf eine offene Stelle - historischer Tiefstand. Im ersten Quartal 2025 liegt die Relation immerhin noch bei 2,5. Der Arbeitsmarkt ist zwar zyklisch entspannter, aber strukturell weiter eng.

Im ersten Quartal 2025 meldete das IAB 1,18 Millionen offene Stellen. Weniger als im Peak 2022, aber immer noch viele unbesetzte Jobs für eine schwache Konjunktur.

Parallel wirkt die Demografie wie ein Dauerdruck, denn ohne Nettozuwanderung sinkt das Erwerbspersonenpotenzial bis 2035 um 7,2 Millionen Menschen.

Und noch etwas: Auch die Such- und Besetzungsdauern sind ein Kostenfaktor. In den letzten Jahren lag die durchschnittliche Vakanzzeit laut Marktbenchmarks bei über 4 - 6 Monaten.

Aber zurück zu den 90er Jahren.

Schon damals haben wir unseren Ansatz aus Überzeugung nie auf das reine „Vermitteln“ reduziert. Wir wollten niemals eine anonyme „CV-Fabrik“ werden, sondern als Personalberatungs-Boutique immer der „Beratung“ in unserem Firmennamen gerecht werden.

Mit Austausch auf Augenhöhe, für Kandidatinnen und Kandidaten nahbar, gleichzeitig klar in unserer Erwartungshaltung und verbindlich im Feedback.

Wir haben daher damit begonnen, unsere Kandidatinnen und Kandidaten sehr eng durch unseren kompletten Prozess zu begleiten.

Daraus wurde über die Jahre ein nachhaltig kandidatenzentrierter Beratungsprozess, der zahlreiche Touchpoints mit unseren Kandidatinnen und Kandidaten integriert. Auf Basis dieses systematischen und regelmäßigen Flows von Informationen, Feedbacks und Coaching sind wir näher dran an Kandidatinnen und Kandidaten als andere Personalberatungen.

Dies wird von unseren Kandidatinnen und Kandidaten sehr geschätzt, wie das außergewöhnlich positive Feedback an uns zeigt.

Unser kandidatenzentrierter Prozess verschafft auch unseren Kunden einen Wettbewerbsvorteil im „War for Talent“.

Den systematischen und intensiven Austausch mit Kandidatinnen und Kandidaten haben wir heute in unseren ganzheitlichen und nachhaltig erfolgreichen Beratungsansatz integriert.

Wir nennen diesen Ansatz unsere Focus Strategy (www.friedrichs-partner.com/de/unser-ansatz).

Basierend auf dem damaligen Verständnis von „Kandidaten-Marketing“ haben wir uns über die Jahre ein gutes Image im Kandidatenmarkt aufgebaut. Kandidatinnen und Kandidaten empfehlen uns weiter und sie bleiben länger voll engagiert - auch wenn Prozesse mal zäh werden.

Woran zeigt sich das konkret? An Reaktionen in heiklen Phasen.
Wenn Kundinnen und Kunden mal mehrere Schleifen für den Entscheidungsprozess brauchen, springen normalerweise viele ab.

Unsere Kandidatinnen und Kandidaten bleiben eher an Bord, weil sie stets informiert sind und verstehen, was passiert. Weil sie Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner bzw. Beraterinnen und Berater haben, die erreichbar sind und Transparenz schaffen.

Und ja: Wir sagen natürlich auch regelmäßig unseren Kandidatinnen und Kandidaten ab.

Aber ohne Abtauchen oder Standardabsagen, sondern stets mit Feedback, das weiterhelfen soll. Auch das zahlt sich aus - durch Respekt, gutes Image, Weiterempfehlungen und immer wieder auch eine zweite Chance bei einer neuen Stellenbesetzung.

Kandidaten-Marketing wurde zwischenzeitlich durch die Candidate Experience ersetzt und sogar noch weitergedacht.

Eine positive Candidate Experience ist unser erklärtes Ziel. Das bedeutet für uns, dass alle Kandidatinnen und Kandidaten mit einem positiven Gefühl durch unseren Prozess begleitet werden sollen.

Das durchweg positive Feedback an uns belegt, dass wir dieses Ziel erreichen.

Und nun kommt KI und verändert die Prozesse.

Rein theoretisch kann der Austausch mit Kandidatinnen und Kandidaten weitgehend automatisiert werden. Der Prozess wird dann theoretisch schneller, aber auch entmenschlicht.

Aus unserer Sicht führen die zunehmende Technisierung und Anonymisierung des Austauschs zu einer deutlich höheren Exit-Quote im Prozess - gerade die Top-Leute erwarten persönliche Beratung und Coaching und steigen aus, wenn es zu anonym wird.

Wir gehen bewusst den anderen Weg und nutzen KI in der Administration, in Analysen und in der Recherche. Dort spart sie wertvolle Zeit, die wir stattdessen in Gespräche investieren - in echte Beratung.

Schlussendlich passt dieser kandidatenzentrierte Beratungsansatz auch zum Regulierungsrahmen.

Der EU-AI-Act stuft Systeme für Rekrutierung als Hochrisiko ein. Menschliche Aufsicht ist Pflicht - gut so.

Und die Personalberatungsbranche und auch die Unternehmen?

Sie testen. Viele Recruiting-Teams experimentieren mit Generativer KI, die Erwartungen sind hoch: schneller schreiben, schneller terminieren, schneller sortieren.
Alles richtig - solange die Basics stimmen: respektvoller Umgang, regelmäßiger Austausch und nachvollziehbare Entscheidungen.

Die kommenden Jahre werden ungewöhnlich viele Veränderungen mit sich bringen.
Konjunktur, Technologie, Demografie - alles bewegt sich.

Wir rechnen damit, dass der Arbeitsmarkt nochmal deutlich enger wird und sich der Wettbewerb um die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger naturgemäß weiter verschärft.

Gerade in der Personalberatung wird aus unserer Sicht „Menschlichkeit“ zum Differenzierungsmerkmal.

Das ist ganz in unserem Sinne.

Artikel Handelsblatt

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